Mittwoch, 29. Dezember 2010

Arbeitsrecht Verdachtskündigung: außerordentliches Kündigungsrecht des Arbeitgebers bei Straftaten des Arbeitnehmers

 

Verdachtskündigung -  

Außerordentliches Kündigungsrecht bei Straftaten des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers

Der Fall „Emmely“ hat für großes Aufsehen sowohl in der Presse, als auch in der Politik gesorgt. Es war die Rede von einem „barbarischen Urteil von asozialer Qualität“[1].

Oftmals wird aber der Schutz des Arbeitgebers im Hinblick auf den Vertrauensverlust in den Arbeitnehmer vergessen. Gerade im Bereich der Vermögens- und Eigentumsdelikte die zu Lasten des Arbeitgebers gehen, kann dieser auch bei noch nicht erwiesenen Verfehlungen des Arbeitnehmers aufgrund eines zerstörten Vertrauensverhältnisses ein Interesse daran haben, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

An die Verdachtskündigung sind jedoch sehr strenge Anforderungen zu stellen, um der Gefahr vorzubeugen, dass sie einen Unschuldigen trifft.

Der Verdacht muss sich auf konkrete Umstände stützen und zudem dringend sein. Insbesondere muss eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Arbeitnehmer die Vertragsverletzung begangen hat.

Bei Kündigungen im Hinblick auf den Verdacht von Straftaten, ist dem Arbeitgeber häufig daran gelegen, das Arbeitsverhältnis so schnell wie möglich zu beenden. Deshalb stellt sich immer die Frage, welche Art der Kündigung – ordentlich oder außerordentlich- erfolgen muss bzw. unter welchem Voraussetzungen diese zulässig ist.

Die Arbeitsgerichte haben demnach zu entscheiden, ob neben der Einhaltung der sogleich erläuterten Voraussetzungen, die Verdachtskündigung ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 I BGB darstellt, welche zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.

 

Kündigungserklärung

 

Ebenso wie die ordentliche Kündigung, hat auch die außerordentliche Kündigung durch eine Kündigungserklärung zu erfolgen, die für ihre Wirksamkeit der Schriftform gem. § 623 BGB bedarf. Lediglich auf Verlangen des Arbeitnehmers, muss der Kündigungsgrund gem. § 626 II S.3 BGB mitgeteilt werden. Eine Ausnahme gilt gem. §22 III BBiG im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses[2]. Der Arbeitgeber ist daher nicht verpflichtet, bereits im Kündigungsschreiben den Grund der Kündigung anzugeben.

 

 

Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist nach §626 II BGB

 

Im Sinne dieser Norm, kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen wirksam erklärt werden. Die Kündigung muss daher dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zugegangen sein.

 

Die Ausschlussfrist des § 626 II BGB gilt auch für die Verdachtskündigung. Sie beginnt in diesem Fall gem. § 626 II S.2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem einem Kündigungsberechtigten durch seine Ermittlungen die Tatsachen bekannt sind, die seinen Verdacht begründen und die ihm die nötige Interessenabwägung und seine Kündigungsentscheidung ermöglichen.

 

Fehlt bei strafbaren Handlungen die sichere Kenntnis, kann sich der Arbeitgeber auch am Fortgang des Strafverfahrens orientieren und zu einem nicht willkürlich gewählten späteren Zeitpunkt kündigen, etwa wenn Anklage erhoben ist.[3]

 

Der Arbeitgeber kann aber auch den Ausgang des Strafverfahrens abwarten und nach erwiesener Tat außerordentlich kündigen. Er kann aber auch selbst Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören.Der Beginn der Kündigungserklärungsfrist des § 626 II BGB ist im Fall einer Verdachtskündigung gehemmt, solange der Arbeitgeber die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt.[4] Da der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts treffen muss[5], kann in der Regel der Kündigungssachverhalt nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers hinreichend vollständig erfasst werden.

 

Die Anhörung des Arbeitnehmers, die den Beginn der zweiwöchigen Ausschlussfrist hemmt, muss innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als 1 Woche nach dem Abschluss der Ermittlungen des Arbeitgebers liegen darf[6]

 

Wird jedoch die Frist gem. § 626 II BGB versäumt und der Arbeitgeber möchte bereits  wegen des Verdachtes kündigen, so muss er sich daran festhalten lassen, dass er den Anschein gesetzt hat, den Arbeitnehmer trotz des Vorkommnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beschäftigen zu können bzw. zu wollen. Bei Fristversäumung durch den Arbeitgeber gilt also der –möglicherweise als wichtig im Sinne von § 626 I BGB anerkannte – Grund nicht als wichtig gemäß § 626 I BGB; der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis lediglich ordentlich unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist beenden. Die außerordentliche Kündigung wäre daher unwirksam.[7]

 

Vorliegen eines wichtigen Grundes § 626 I BGB

 

Der Verdacht schwerer, aber noch nicht hundertprozentig erwiesener Verfehlungen, kann das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstören und so die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, wenn der Verdacht durch Tatsachen objektiv begründet ist (dringender Tatverdacht).

 

Der bloße Verdacht reicht demnach nicht aus. Wie oben dargestellt, müssen diese Tatsachen zuvor ermittelt und festgestellt werden.

 

Weiterhin muss der Arbeitgeber beachten, dass die Anhörung des Arbeitnehmers vor Kündigung zwingend erforderlich ist.[8] Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber alle wesentlichen Möglichkeiten nutzt, sich über die Berechtigung seines Verdachts und die sich daraus ergebende Unzumutbarkeit, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, Klarheit zu verschaffen. Eine Ausnahme kann lediglich dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht dazu bereit ist, sich ausreichend zu den Verdachtsgründen zu äußern.[9]

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer, der im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung strafrechtlich relevante Handlungen gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, verletzt damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise.[10]

 

Dies gilt auch für Sachen, die lediglich einen geringen Wert haben.

 

Im sog. „Bienenstichfall“ entschied das Gericht erstmalig, dass auch die unberechtigte Entwendung geringwertiger Sachen unabhängig von der konkreten Abwägung im Einzelfall grundsätzlich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen kann.[11] Der Arbeitnehmer ist zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verpflichtet. Ein vorsätzlicher Eingriff in die Rechtsgüter des Arbeitgebers verletzt diese Loyalitätspflicht. Auf die Höhe eines Schadens oder des Wertes kommt es nicht an.[12] Das Eigentum des Arbeitgebers darf nicht der Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers unterliegen. Würde man gerade im Hinblick auf Vermögens- und Eigentumsdelikte eine Erheblichkeitsschwelle für die außerordentliche Kündigung fordern, hätte dies auch eine falsche Signalwirkung für andere Arbeitnehmer: Der Arbeitnehmer könnte dann von der Folgenlosigkeit kleinerer Vergehen ausgehen dürfen.

 

Abmahnung entbehrlich?

 

Grundsätzlich hat einer verhaltensbedingten Kündigung wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen.[13]

 

Zweck der Kündigung ist nämlich nicht nur die bloße Sanktion für das Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Vielmehr wird dadurch auch eine präventive Wirkung dahingehend erzeugt, dass die Kündigung der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen entgegenwirkt. Verstößt nämlich der Arbeitnehmer erneut gegen seine Vertragspflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es auch in der Zukunft zu weiteren Vertragsstörungen kommen wird.

 

Die Abmahnung ist aber dann entbehrlich, wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt.[14]

Für die Frage, ob eine Abmahnung erforderlich ist oder nicht, ist entscheidend, welche Art von Tätigkeit der Arbeitnehmer im Betrieb wahrnimmt, bzw. welcher Straftatenverdacht im konkreten Fall gegeben ist.

Ob letztlich der Arbeitgeber auch vor Gericht Erfolg mit seiner Kündigung hat hängt aber nicht allein davon ab, ob grundsätzlich ein wichtiger Grund vorliegt, sondern auch von der  Interessenabwägung im Einzelfall.

Auf dieser Ebene berücksichtigt das Gericht unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie den Umfang des vom Arbeitgeber erlittenen Schadens.

Demgegenüber steht das Interesse des Arbeitgebers in die Zuverlässigkeit des Mitarbeiters vertrauen zu dürfen, gerade dann, wenn der Arbeitnehmer mit Vermögenstätigkeiten des Arbeitsgebers in Verbindung steht. Hinzu kommt, dass dem Arbeitgeber gerade in präventiver Hinsicht eine Reaktionsmöglichkeit bei Vermögens- und Eigentumsdelikten gegeben werden muss.

 

Reaktionsmöglichkeit des Arbeitnehmers

 

Der Arbeitnehmer hat selbstverständlich die Möglichkeit, sich gegen die Kündigung in Form der Kündigungsschutzklage zur Wehr zu setzen.

Wichtig ist hierbei aber, dass eine Frist von 3 Wochen gem. §§13 I S.2, 4 S.1, 7 KSchG nach Zugang der Kündigung eingehalten werden muss. Dies gilt neben der ordentlichen auch für die außerordentliche Kündigung.

Wird dabei die Kündigung als unwirksam angesehen, hat der Arbeitnehmer zudem einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Vergütung. Der letztgenannte Anspruch steht dem Arbeiter natürlich auch für die Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung durch das Gericht zu.

 

Dr. jur. Marc Herzog, LL.M.

Dipl.-Verww. (FH) Jürgen Liebhart, Rechtsreferendar am LG Traunstein

 

 



[1] Spiegel – Online v. 26.02.2009

[2] Palandt Kommentar zum BGB 69. Auflage 2010 §623 Rn. 32

[3] BAG in NJW 2008, 1097

[4] BAG Urteil v. 05.12.2002 Az: 2 AZR 478/01

[5] Palandt Kommentar zum BGB 69. Auflage 2010 § 626 Rn.26

[6] BAG in NZA 2006, 1211

[7] Palandt Kommentar zum BGB 69. Auflage 2010 §626 Rn. 22,23

[8] BAG in NZA 1996, 81ff

[9] BAG in NJW 1987, 2540ff.

[10] BAG in DB 2008, 1633ff.

[11] BAG in NZA 1985, 91ff

[12] BAG in NJW 2004, 1551ff.

[13] BAG in NZA 2006, 980ff

[14] Palandt Kommentar zum BGB 69. Auflage 2010 §626  Rn. 18




Link zum Originalbeitrag:
http://www.drherzog.de/rah67lk

Geschrieben von:
Rechtsanwältin Maria Obermeier

Rechtsgebiete:
Arbeitsrecht,

Schlagwörter:
Anwalt, Rechtsanwälte, Rosenheim,

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