Freitag, 15. April 2011

BGH: Kein Recht zur vorzeitigen Kündigung eines DSL-Vertrages bei Umzug in DSL-freies Gemeindegebiet #xng

BGH: Kein Recht zur vorzeitigen Kündigung eines DSL-Vertrages bei Umzug in DSL-freies Gemeindegebiet

 

Leitsatz des BGH:

„Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen.“[1]

Sachverhalt:

Im Mai 2007 wurde durch ein Telekommunikationsunternehmen mit dem Kläger im Mai 2007 ein Vertrag über einen DSL-Anschluss geschlossen. Der Vertrag wurde auf zwei Jahre geschlossen. Der Kläger erhielt daraufhin an seinem damaligen Wohnsitz Zugang zum Internet einschließlich Hardware. Im November 2007 verzog der Kläger in eine im selben Landkreis gelegene andere Gemeinde. Dort lagen keine DSL-fähigen Leitungen, sodass das Telekommunikationsunternehmen nicht in der Lage war, am neuen Wohnort des Klägers einen DSL-Anschluss zu installieren. Nachdem dem Kläger dies mitgeteilt worden war, erklärte er am 11.11.2007 die „Sonderkündigung“ seines Vertrages.

Der BGH hatte zu klären, ob ein befristetes Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Dauerschuldverhältnisse sind solche, bei denen sich der Gesamtumfang der von den Parteien zu erbringenden Leistungspflichten nach dem Faktor Zeit bemisst.[2]

Im Rahmen der Kündigung wird zwischen der ordentlichen und außerordentlichen Kündigung unterschieden. Ein Dauerschuldverhältnis, welches wirksam befristet worden ist, schließt das Recht zur ordentlichen Kündigung grundsätzlich aus. Eine außerordentliche Kündigung bleibt davon unberührt.

Im oben genannten Fall, wurde der Vertrag von Mai 2007 bis Mai 2009 auf die Dauer von zwei Jahren befristet.

Im konkreten Fall geht es um einen sogenannten Access-Provider-Vertrag, bei dem sich der Anbieter verpflichtet, dem Kunden den Zugang zum Internet zu verschaffen. Der Provider schuldet die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung zum  Internet.

Auf die Frage, ob dem Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 626 I BGB bei Vorliegen eines Dienstvertrages oder ein selbiges nach § 314 I 2 BGB zusteht, ist hier im Ergebnis nicht von Bedeutung, da die Anforderungen, wie sich aus dem Wortlaut beider Normen ergibt, dem Wesen nach gleich ist.

Die außerordentliche Kündigung kann jedoch nur innerhalb einer angemessenen Frist erklärt werden. Sieht man den Vertrag als Dienstvertrag an, beträgt die Frist 2 Wochen ab Kenntnis des Sachverhalts. § 314 III BGB verzichtet auf eine genaue Bestimmung der Dauer der Erklärungsfrist, spricht aber von einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes. Diese Frist wurde jedoch gewahrt.

Fraglich war, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorlag. Hierbei ist erforderlich, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann.[3]Der BGH führt hierzu in seinem Urteil  aus, „dass ein wichtiger Grund im Allgemeinen nur dann anzunehmen ist, wenn die Gründe auf die die Kündigung gestützt wird im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen.“

Der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung von Leistungen abschließt, trägt grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Daher stellt der Umzug, egal ob aus familiären oder aus beruflichen Gründen, grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.[4]

In die Interessenabwägung wird weiterhin eingestellt, dass es sich zwar gem. § 309 Nr. 9a BGB um eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerade noch zulässige Vertragslaufzeit handelt, jedoch die Gegenleistung des Klägers in  einem niedrigen monatlichen Grundpreis bestand. Auch sind  auf Seiten des  Telekommunikationsunternehmens durch das Bereitstellen von Geräten wie Router und  WLAN-Stick Kosten angefallen, die sich aufgrund der geringen monatlichen Grundgebühr erst während des zweiten Vertragsjahres rechnen.

Das Gericht ließ zudem in ihre Abwägung mit einfließen, dass in Deutschland nicht an jedem Ort die Voraussetzungen für einen DSL-Anschluss vorliegen und dies auch allgemein bekannt ist. Die Richter argumentierten, dass der Kläger gewusst, zumindest aber damit rechnen hätte können und müssen, dass bei einem Umzug nicht gewährleistet ist, dass der DSL-Anbieter nicht in der Lage ist, auch am neuen Wohnort seine Leistung zu erbringen.

Eine Kündigung des Vertrages war daher im Ergebnis nicht möglich, da die Abwägung zu Lasten des Klägers ging.

Die Frage die sich anschließt ist aber, ob die Zahlungspflicht hinsichtlich der monatlichen Gebühren erloschen ist.

Die Gegenleistungspflicht des Klägers zur Zahlung der monatlichen Gebühren könnte jedoch  gem. § 326 I S.1 HS 1 BGB erloschen sein, weil es dem Unternehmen gem. § 275 BGB unmöglich ist, am neuen Ort einen DSL-Anschluss herzustellen. Selbst wenn man aber hier Unmöglichkeit annehmen würde, würde die Gegenleistungspflicht gem. § 326 I 1 Hs. 1 BGB nicht entfallen. Gem. § 326 II S.1 Alt. 1 BGB kann der Schuldner, der von seiner Leistungspflicht frei wird, die Gegenleistung auch weiterhin verlangen, wenn der Gläubiger- hier der Kläger-  für den Umstand, der zum Fortfall der Leistungspflicht führt, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Der Umzug des Klägers fällt jedoch allein in seine vertragliche Risikosphäre, sodass die Gegenleistungspflicht gerade nicht erlischt.

Aus dem gleichen Grund scheitert auch eine Anpassung des Vertrages im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlange nach § 313 I BGB in Form von herabgesetzten monatlichen Grundbeiträgen.

 

Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass weder eine Kündigung des Vertrages, noch ein Entfallen der Vergütungspflicht, noch eine Vertragsanpassung über eine verminderte monatliche Grundgebühr in Frage kommt.



[1]BGH in WM 2011, 81ff.

[2]Palandt §314 BGB Rn.2

[3]Palandt Kommentar zum BGB 68.Auflage 2009 § 626 Rn. 37ff.

[4]LG München I in ZGS 2008, 357,360 




Link zum Originalbeitrag:
http://www.drherzog.de/rakmvsf

Geschrieben von:
Rechtsanwältin Maria Obermeier

Rechtsgebiete:
Vertragsrecht,

Schlagwörter:
Anwalt, Recht, Rosenheim,

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